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Ein Blick in die Tiefe: Die Suche nach einer Wärmequelle im tiefen Untergrund

Ein Blick in die Tiefe: Die Suche nach einer Wärmequelle im tiefen Untergrund

Ein Vibro-Truck auf der Suche nach der Wärmequelle im tiefen Untergrund
Ein Vibro-Truck auf der Suche nach der Wärmequelle im tiefen Untergrund
Ein Vibro-Truck auf der Suche nach der Wärmequelle im tiefen Untergrund
Ein Vibro-Truck auf der Suche nach der Wärmequelle im tiefen Untergrund

Veröffentlicht am

17.11.2025

Kurzgefasst

Dr. Robin Seithel, Projektmanager im Bereich Forschung und Entwicklung bei EnBW, blickt auf die 3D-Seismik zurück.

Der Schlüssel zur Gewinnung von Wärme aus großer Tiefer ist eine geeignete natürliche Wärmequelle, die in der Region Wörth am Rhein im Buntsandstein, dem Rotliegenden und auch darunter vorkommt – einer Gesteinsschicht, die in einer Tiefe von vier bis fünf Kilometern zu vermuten ist. Um solche Annahmen zu untermauern und den Aufbau der Gesteinsschichten sichtbar zu machen, braucht es Geduld, Technik und Fachwissen. Über die vergangenen 18 Monate wurde strukturiert und intensiv an der Analyse des tiefen Untergrunds gearbeitet. Das Ergebnis ist inzwischen veröffentlicht worden: Es konnte ein in vielerlei Hinsicht günstig gelegenes Thermalwasser-Reservoir identifiziert werden, so dass nun mit der Planung der ersten Bohrung begonnen werden kann. Die folgenden Schritte beschreiben den Weg bis zu diesem Meilenstein. 

Bestandsaufnahme

Am Anfang stand eine gründliche Bestandsaufnahme, um den Messbereich für die 3D-Seismik einzugrenzen. Die Expertinnen und Experten sammelten dafür alle bereits erhobenen Informationen: Daten von früheren Bohrungen in der Region wurden einbezogen, genauso wie 2D-Seismik-Linien, also vertikale Abbildungen des Untergrunds entlang der Messlinie, die ein grobes räumliches Bild der Gesteinsschichten[KR2]  vermitteln. Auch wurde das sogenannte GeORG Modell berücksichtigt, ein regionales geologisches Modell, das umfangreiche Informationen des tiefen Untergrunds im Gebiet des Oberrheingrabens enthält. Diese Daten lieferten erste Anhaltspunkte für ein noch unscharfes, aber richtungsweisendes geologisches Verständnis. 

Das Expertenteam aus Projektbeteiligten von EnBW, Daimler Truck und der Stadt Wörth, unterstützt von den wissenschaftlichen Partnern des vom Bund geförderten Forschungsvorhabens DEKAPALATIN sowie spezialisierte Dienstleister entwickelten ein regionales geologisches Modell, mit dem das Gebiet für die gezielte Untersuchung im Rahmen der 3D-Seismik festgelegt werden konnte. 

Datenerhebung: 3D-Seismik

Der entscheidende Schritt zur Identifikation einer geeigneten Wärmequelle war die 3D-Seismik, die eine hochauflösende dreidimensionale Abbildung der Gesteinsschichten im Untergrund ermöglicht – vergleichbar mit einer medizinischen Ultraschalluntersuchung, nur eben für mehrere Kilometer Tiefe. Dafür wurden in der Region rund um Wörth mit speziellen Messfahrzeugen, den Vibrotrucks, 8.000 Messpunkte angefahren. Dort erzeugten sie mit Hilfe einer abgesenkten Bodenplatte Schwingungen, die als Signal von knapp 18.000 ausgelegten Messinstrumenten (Geophonen) aufgefangen werden konnten. So entstand ein riesiger Datensatz von rund 30 Terabyte[KR3] , der im Anschluss ausgewertet wurde. 

Ziel war es, die Datenerhebung im Rahmen der 3D-Seismik in einem möglichst kurzen Zeitfenster durchzuführen. Daher fiel die Entscheidung auf das innovative “Slip-Sweep-Verfahren", bei dem mehrere Gruppen von Vibrotrucks abgestimmt parallel arbeiten, so dass zwischen den signalerzeugenden Schwingungen möglichst geringe Wartezeiten entstehen. Das Verfahren verkürzte die Messzeit in der Region auf nur drei Wochen – ein Bruchteil dessen, was mit dem traditionellen Verfahren nötig gewesen wäre, bei dem nur eine Vibrotruck-Gruppe die Signale erzeugt.

Interpretation

Nach Abschluss der Messungen im Gelände begann die Datenanalyse. Fachleute und das geologische Projektteam interpretierten die seismischen Daten über mehrere Monate hinweg, und Schritt für Schritt entstand ein zunehmend klares Bild des Untergrunds. So konnten bereits im Sommer mehrere potenzielle Standorte für ein künftiges Wärmewerk eingegrenzt werden. Im September dieses Jahr lag schließlich die vollständige geologische Interpretation vor.

Entscheidung im Oktober

Das Expertengremium aus den beteiligten Partnern analysierte die Ergebnisse und kam zu einer einhelligen Bewertung: Die vielversprechendste Wärmequelle im Aufsuchungsgebiet wird unmittelbar unter dem Gelände des Mercedes Benz Werks vermutet, in rund vier bis viereinhalb Kilometern Tiefe. 

Der Standort bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Zum einen befindet sich die Wärmequelle unmittelbar neben dem Hauptabnehmer Daimler Truck, so dass die Energie des vermutlich ca. 160°C warmen Thermalwassers mit vergleichsweise geringem Aufwand in das Netz eingespeist werden könnte. Das Fernwärmenetz des geplanten weiteren Abnehmers, der Stadt Wörth, befindet sich ebenfalls in günstiger Nähe. Außerdem kann für den Bau des Wärmewerks eine Fläche auf dem Mercedes Benz Werksgelände genutzt und eine Bohrung fast senkrecht abgeteuft werden – das ist technisch einfacher und liefert den Forschungspartnern präzisere geologische Erkenntnisse. 

Ausblick

Doch die Untersuchung und Interpretation des Untergrunds ist noch nicht abgeschlossen. Mit der ersten Bohrung, geplant für 2027, werden die bisherigen Annahmen überprüft. Die entnommenen Gesteinsproben sollen zeigen, wie genau das geologische Modell tatsächlich ist und helfen, es weiter zu verfeinern. So entsteht aus Daten und Modellen nach und nach ein reales Bild und das Projekt nähert sich seinem Ziel: der Gewinnung natürlicher Wärme aus großer Tiefe – ein bedeutender Beitrag für die lokale Energiewende.

Dr. Robin Seithel

Dr. Robert Seithel, Projektmanager im Bereich Forschung und Entwicklung bei EnBW, ist Geologe mit Schwerpunkt auf Tiefengeothermie und geologischen Untergrundmodellen. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) promovierte er zum geothermischen Potenzial des bayerischen Molassebeckens – der Region mit der am weitesten ausgebauten Geothermienutzung in Deutschland.

Während seiner Promotion sammelte er umfangreiche Erfahrung in der Projektentwicklung und in der Erstellung geologischer Modelle. Geboren und aufgewachsen in Karlsruhe, bringt er fundiertes Fachwissen mit regionaler Verbundenheit zusammen.