Interview
Veröffentlicht am
30.09.2025
Kurzgefasst
Die Erschließung von Tiefengeothermie in Wörth am Rhein bietet der Wissenschaft die Möglichkeit, neue Modelle zu entwickeln, welche die Eigenschaften des Gesteins und Thermalwassers beschreiben.
Die präzisen Modelle kommen nicht nur dem Vorhaben in Wörth zugute – sie werden auch anderen Kommunen und der Industrie als Blaupause dienen.
Im Interview spricht Inga Moeck, Professorin für angewandte Geothermik und Geohydraulik, darüber, was sie antreibt und welche Aufgaben sie und ihre Kollegen vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August- Universität Göttingen im Rahmen des Forschungsvorhabens DEKAPALATIN übernehmen.
Wie sind Sie persönlich zur Tiefengeothermie gekommen?
Inga Moeck: Schon als Jugendliche habe ich mich für die Menschheitsgeschichte und Archäologie interessiert. Als ich mit 18 Jahren bei Ausgrabungen in Ägypten war, bin ich dann mit der Geologie in Berührung gekommen, was mein Interesse schlussendlich ausgelöst hat. Im Studium habe ich mich auf Strukturgeologie spezialisiert. Bei meiner Diplomarbeit habe ich dieses Wissen in der Grundwassererschließung in Portugal angewendet und hatte erstmals mit Wasserressourcen zu tun. In der Folge kam ich zum Geoforschungszentrum Potsdam, das für Geothermieprojekte thermische Modelle benötigte. So habe ich den Schritt von der Grundwasserforschung in 400 Metern Tiefe zur Geothermie in rund vier Kilometern Tiefe gemacht. Seitdem begeistert mich besonders die Verbindung von Nachhaltigkeit, Tiefenwassererschließung und Energiewirtschaft. Heute arbeite ich in der geothermischen Erschließung und Reservoirbewirtschaftung – ein Feld, das ich als zukunftsweisend empfinde.
Sie sind innerhalb des Forschungsvorhabens DEKAPALATIN für die thermisch-hydraulisch-chemische Modellierung zuständig. Was bedeutet das?
Inga Moeck: So wie wir jeden Trinkwasserhorizont managen, müssen wir das auch bei Tiefenwasser tun. Um aus einer Bohrung Thermalwasser zu entnehmen und in eine andere Bohrung das abgekühlte Wasser zurückzuleiten, ist es wichtig zu wissen: Steht über einen langen Zeitraum genügend Wasser zur Verfügung? Mit welchem Druck kann man bei der Förderung arbeiten? Und wie wird sichergestellt, dass sich die Produktions- und Injektionsbohrung nicht thermisch beeinflussen, sodass beispielsweise kühleres Wasser in die Produktionsbohrung gelangt.
In den nächsten zwölf Monaten werden wir daher auf Basis des geologischen Modells aus der Seismik analysieren, welche Mächtigkeit die Gesteinsschichten haben und wie sie verteilt sind. Zudem werden wir die Chemie des Thermalwassers analysieren, das gelöste Mineralien enthält. Wenn sich Druck oder Temperatur ändern, können Mineralien ausfallen und dadurch Leitungen verstopfen oder die Durchlässigkeit des Gesteins verringern. Für die große Anzahl an Mineralien wird das Gesamtsystem so komplex, dass man es nur noch mit Computermodellen berechnen kann.
Wann ist das Modell verwertbar?
Inga Moeck: Vor Beginn der Bohrungen werden wir ein Modell fertigstellen, das thermisch, hydraulisch und chemisch zuverlässig ist. Auf der Basis lässt sich dann simulieren, wie das Reservoir in Jahresschritten oder 10-Jahresschritten reagiert. Nach den Bohrungen vergleichen wir die Vorhersagen mit echten Messwerten und verbessern unser Modell Stück für Stück.
Geht die Modellierung über die üblichen Untersuchungen hinaus?
Inga Moeck: Ja, absolut. Diese Kombination von thermischer, hydraulischer und chemischer Modellierung geht deutlich über die üblichen Standards beim Bau von Geothermieanlagen hinaus. Entscheidend ist dabei die chemische Komponente, weil mineralische Veränderungen in der Tiefe die Durchlässigkeit des Gesteins reduzieren können. Solche Erkenntnisse helfen, um einen nachhaltigen und wirtschaftlichen Betrieb erreichen zu können.
Welche weiteren Aufgaben nehmen Sie im Forschungsvorhaben wahr?
Inga Moeck: Wir entwickeln im Rahmen der Forschung erstmals ein sogenanntes Betreibermodell, ein großräumiges thermisch-hydraulisches Modell, für den nördlichen Oberrheingraben. Darin sind in einem Bereich von etwas 20 x 20 Kilometern alle Horizonte – also alle Gesteinsschichten – sowie geowissenschaftlichen Faktoren abgebildet. Das geothermische Betreibermodell übergeben wir an das Geologische Landesamt Rheinland-Pfalz, wo es später als Grundlage für die Genehmigung neuer Geothermiefelder dienen kann, um zu erreichen, dass benachbarte Geothermie-Vorhaben langfristig nachhaltig betrieben werden.
Über welche Praxiserfahrung verfügt Ihr Institut?
Inga Moeck: Wir als Uni Göttingen begleiten praktische Tiefengeothermie-Projekte mit Feld- und Labormessungen und Kernbohrungen – das macht uns einzigartig in Deutschland. Seit 2006 erforschen wir außerdem deutschlandweit Sandstein- Reservoirs. Dabei analysieren wir alte Bohrkerne, Gesteinsproben und deren Ablagerungsgeschichte, um die Qualität der Wärmequelle in der Tiefe einzuschätzen.
Was motiviert Sie, sich für Tiefengeothermie am Oberrheingraben einzusetzen?
Inga Moeck: Die jüngere Entwicklung des Oberrheingrabens ist mit vulkanischen Prozessen verbunden, die rund 15 Millionen Jahre zurückliegen und im Zusammenhang mit der damaligen Rotation Afrikas stehen. Hier lassen sich also Prozesse nachvollziehen, die sowohl von großräumigen Plattenbewegungen der Kontinente als auch von lokalen Ereignissen beeinflusst sind. Im Zuge der Erschließung kann man die lokale Erdgeschichte und die Heimatgeschichte viel besser verstehen. Wir bohren wie auf einer Zeitreise Millionen Jahre zurück und entdecken, wie die Region früher aussah, welche Pflanzen, Tiere und Klimabedingungen es gegeben haben könnte.
Durch die begleitende Forschung tragen wir außerdem dazu bei, neue Erkenntnisse für die Erschließung von Geothermie zu entwickeln, von denen das Vorhaben in Wörth unmittelbar profitiert. Geothermie ist neben der Solarthermie die einzige erneuerbare Wärmequelle – alle anderen erneuerbaren Energien liefern hauptsächlich Strom.
Über die WärmeWerk Wörth GmbH
Die WärmeWerk Wörth GmbH ist ein Joint Venture von Daimler Truck, EnBW und der Stadt Wörth am Rhein. Das Joint Venture soll die Möglichkeiten einer klimaneutralen Energieversorgung des Mercedes-Benz Werks Wörth sowie der Stadt Wörth am Rhein mittels Tiefengeothermie prüfen. Ziel ist es, eine Geothermie-Anlage zur Wärmegewinnung am Standort Wörth zu bauen, die klimafreundliche Erdwärme für das Mercedes-Benz Werk von Daimler Truck in Wörth und das Nahwärmenetz der Stadt Wörth am Rhein bereitstellt. Mit dem wissenschaftlich begleiteten Projekt sollen zudem neue Erkenntnisse bei der Erschließung von Geothermie als Energiequelle gewonnen werden. Die drei Partner vereinen mit Daimler Truck den größten Arbeitgeber in der Südpfalz, mit der EnBW ein deutschlandweit führendes Energieunternehmen mit langjähriger Expertise in der Geothermie sowie mit der Stadt Wörth am Rhein eine dynamische Kommune mit innovativer Stadtverwaltung, die für die öffentliche Daseinsvorsorge steht. www.wärmewerkwörth.de.
Über das Forschungsvorhaben DEKAPALATIN
Das Geothermie-Vorhaben der WärmeWerk Wörth GmbH wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und wissenschaftlich begleitet, um diese Expertise einfließen zu lassen. Im Forschungsvorhaben DEKAPALATIN unter Führung des WärmeWerk Wörth sollen umfassende Erkenntnisse zur Erschließung der Geothermie als Energiequelle im Oberrheingraben gewonnen werden. Um die Erdwärme für Kommunen und die Industrie nutzbar zu machen, werden umfangreiche geologische Untersuchungen durchgeführt. Dazu zählen die Analyse von Gesteins- eigenschaften, die Untersuchung des Spannungsfeldes im Untergrund und die Erforschung des Wärmetransports. Zudem sollen innovative Prognosemodelle für eine nachhaltige Nutzung des geothermischen Reservoirs entwickelt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Minimierung seismi- scher Risiken, indem Druckveränderungen und Bruchflächen im Untergrund genau modelliert werden. Neben detaillierten Untersuchungen der Geologie in der Region umfasst das Projekt in der nächsten Phase auch die erforderlichen Bohrungen bis hin zum Probebetrieb der Geothermie- Anlage. Diese Ergebnisse sollen für weitere Projekte im Oberrheingraben als Blaupause dienen.
